ProSiebenSat.1: Aktionäre lehnen Aufspaltung ab
Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 beantworten Fragen der Aktionäre
Foto: Benedikt Müller/ProSiebenSat.1
Mit großer Spannung erwarteten Branchenbeobachter die diesjährige Hauptversammlung von ProSiebenSat.1, dabei ging es um eine zentrale Frage: Bleibt der Medienkonzern in seiner bisherigen Form bestehen oder kommt es zu einer Aufspaltung, wobei die nicht zum Kerngeschäft Entertainment gehörenden Bereiche Commerce & Ventures bzw. Dating & Video eine eigenständige Zukunft an der Börse finden könnten? Vor allem der große italienische Minderheitsaktionär Media For Europe (MFE) favorisierte eine Aufspaltung als zügige Lösung um die seit langer Zeit anhaltende Strategiedebatte.
Aktionäre haben entschieden
Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 beantworten Fragen der Aktionäre
Foto: Benedikt Müller/ProSiebenSat.1
Bei der Neuwahl des Aufsichtsrats konnten sich die institutionellen Aktionäre MFE wie auch PPF gegen die Vorschläge der Gesellschaft durchsetzen. Gewählt wurden jeweils der italienische Investmentbanker Leopoldo Attolico auf Vorschlag von MFE sowie der Medienmanager Christoph Mainusch auf Vorschlag von PPF. Für den verbliebenen Aufsichtsratsposten entschieden die Aktionäre mit Klára Brachtlová ebenfalls für eine PPF-Vertreterin. Die Ergebnisse deuten womöglich darauf hin, dass sich beide Anteilseigner bei den Abstimmungen gegenseitig unterstützten.
Abgelehnt wurde ein MFE-Antrag zur Aufspaltung von ProSiebenSat.1, wobei auch dieser Antrag das benötigte Quorum vergleichsweise knapp verfehlte. Benötigt wurden 75 Prozent der Stimmen, wohingegen nur 70,95 Prozent erreicht wurden. Spektakulär war hingegen die Abberufung des stellvertretenden ProSiebenSat.1-Aufsichtsratschefs Prof. Rolf Nonnenmacher. Künftig wird somit voraussichtlich der Berlusconi-Vertraute Simone Scettri das Kontrollgremium stellvertretend leiten. ProSiebenSat.1 hatte diese Personalie im Vorfeld scharf kritisiert, da Scettri durch seine bisherige Tätigkeit für den Wirtschaftsprüfer EY einem Interessenkonflikt unterliegen könnte. EY hatte die Unregelmäßigkeiten um das Ticketgeschäft von Jochen Schweizer mydays gegenüber ProSiebenSat.1 nicht beanstandet.
Kritik von Aktionärsschützern und MFE
Deutliche Kritik am Schlagabtausch zwischen Management und MFE äußerte die deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) auf der Hauptversammlung. So würde vor allem die Strategie aus Mailand, den Vorstand bei einer Trennung diskutierter Geschäftsbereiche unter Druck zu setzen, zu einer schlechten Verhandlungsposition von ProSiebenSat.1 führen.
MFE-Vertreterin Theresa Lauterbach zeigte sich hingegen von bisherigen "leeren Versprechungen" des Unternehmens enttäuscht, so seien im Rahmen des bisherigen Kurses keine nennenswerten Werte geschaffen worden. Nun sei für einen Neuanfang entschlossenes Handeln gefragt, um sich wieder auf das Kerngeschäft Entertainment zu konzentrieren. Die bisherige Strategie eines Mischkonzerns habe insbesondere im Mediengeschäft nie funktioniert.
Debatte um Jochen Schweizer
Die Verfehlungen um das zu ProSiebenSat.1 gehörende Ticketgeschäft von Jochen Schweizer mydays waren ebenfalls ein zentraler Diskussionspunkt im Rahmen der Hauptversammlung. Auch hier forderte Lauterbach einen personellen und inhaltlichen Neuanfang. Man wolle mit dem Thema abschließen, was letztendlich den zuvor erfolgreich beschlossenen Austausch von Prof. Rolf Nonnenmacher zur Folge hätte.
Unabhängig von der Personalie Nonnenmacher dürfte das Thema aber damit für ProSiebenSat.1 ohnehin nicht erledigt sein, denn die Prüfung von Verantwortlichkeiten des ehemaligen Managements, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und daraus eventuell resultierenden Schadensersatzforderungen erfordern weiteren Klärungsbedarf. Dass Berlusconi jetzt weite Teile des Aufsichtsrats kontrolliert und obendrein eine Satzungsänderung sowie einen Antrag zur Aufhebung des genehmigten Kapitals aus 2021 durchsetzen konnte, macht die Lage für das amtierende Management zumindest nicht einfacher. Ebenso wenig wie der Umstand, dass die Aktionäre auch noch eine Reorganisation der Streaming-Plattform Joyn durchkreuzt haben, von der sich Management und Aufsichtsrat eine Steuerersparnis in niedriger dreistelliger Millionenhöhe erhofft hatten.