Schnelle Glasfaser? Kann länger dauern
Alle wollen Glasfaser? Nicht alle, aber viele - besonders dort, wo es aktuell überhaupt kein vernünftiges Internet gibt. Ein Leser berichtete uns aus der Gemeinde Letschin im Oderbruch im Märkischen-Oderland-Kreis (Autokennzeichen MOL) im Bundesland Brandenburg, unweit der polnischen Grenze.
Vorfreude auf Glasfaser getrübt
Der Leser freute sich schon länger auf den geplanten Glasfaseranschluss. Im Rahmen der "Förderung des Glasfaserausbaus im ländlichen Raum" befanden sich große Teile von Letschin im Förderplan, da die bislang verfügbare Download-Geschwindigkeit deutlich unter 30 MBit/s liegt. Doch "plötzlich zauberte die Telekom VDSL50 aus dem Hut (sie hätte sonst Kunden verloren)" und damit sei seine Gemeinde "prompt aus der Glasfaser-Förderung geflogen". Sämtlich Anfragen oder Beschwerden an das Landratsamt seien erfolglos geblieben, schreibt der Leser und bat uns um Rat.
Verzwickte Lage
Wir haben bei der Telekom nachgefragt und die Lage ist etwas verzwickt. Wir versuchen, es aufzudröseln: Offenbar hat der Landkreis Märkisch-Oderland bei der Breitbandausschreibung schon im Jahre 2017 sieben "Lose" (Ausbaugebiete) gebildet und dort die förderfähigen Gebiete als sogenannte Polygone festgelegt (siehe Bild). Somit stand seit dem Jahr 2017 fest, welche Gebiete im Landkreis MOL förderfähig sind. Die gemeinde Letschin befindet sich im Los "MOL3".
Verschiedene Gewinner
Der Landkreis Märkisch Oderland liegt zwischen Berlin (links) und der Republik Polen (rechts).
Grafik: Landkreis Märkisch Oderland
Ein Wettbewerber der Telekom hatte die Lose MOL 1-5 und MOL 7 gewonnen - somit auch den Ausbau in Letschin. Die Telekom hatte hingegen das Los MOL 6 gewonnen.
VDSL-Ausbau der Telekom lange vorher geplant
Der VDSL-(Vectoring)-Ausbau sei "Jahre zuvor geplant" und auch in dem vorab durchgeführten Markterkundungsverfahren (MEV) durch die Telekom "angezeigt" worden. Bereits bis 2019 sei der Vectoring Ausbau dann in allen Gebieten bautechnisch abgeschlossen worden, betont die Telekom. Warum nun der Wettbewerber der Telekom dort nicht mehr Glasfaser ausbauen wolle, entziehe sich "naturgemäß der Kenntnis der Telekom". An sich müsste der Wettbewerber die sechs gewonnenen Lose im Landkreis MOL nun auch ausbauen, findet die Telekom.
Ein Rückzug vom FTTH-Ausbau durch den Wettbewerber wegen der Konkurrenz durch Vectoring sei nach Auffassung der Telekom nicht möglich, da die Telekom den Ausbau im sogenannten Markterkundungsverfahren dem Landkreis "angezeigt" und vor Jahren auch technisch abgeschlossen hatten. Allerdings, so gibt die Telekom zu bedenken, habe der Landkreis seinerzeit das Verfahren der Telekom "nicht anerkannt" und somit diese bereits mit VDSL erschlossenen Gebiete mit in seine Ausschreibung hineingenommen.
Landkreis erklärt die Lage
Mit diesem Wissen wandte sich der Leser erneut an den Landkreis und erhielt folgende aufschlussreiche Antwort: "Einen genauen Termin für die Realisierung eines Glasfaseranschlusses an der Adresse [des Lesers] in Letschin kann ich Ihnen leider nicht nennen."
Langfristig wird der Ausbau wohl noch kommen
"Wenn kein anderes TK-Unternehmen in der Zwischenzeit ausbaut, sind im Moment zwei Szenarien realistisch", erfuhr der Leser weiter. Perspektivisch werde diese Adresse über das Folgeförderprogramm ausgebaut. Aktuell arbeite der Landkreis an dem Folgeförderprogramm. Langfristig sollen damit alle Adressen in Märkisch-Oderland einen Glasfaseranschluss erhalten.
Das sei abhängig von der neuen "Aufgreifschwelle", wenn das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) nichts mehr ändere, solle diese bei symmetrischen 200 MBit/s liegen. Je nach den Ausbauplänen der TK-Unternehmen werde die Adresse des Lesers in der Folgeförderung berücksichtigt und ausgebaut.
"Anmelden müssen Sie sich hierfür nicht. Wenn Ihre Adresse bis zum nächsten Markterkundungsverfahren durch kein TK-Unternehmen ausreichend ausgebaut/versorgt wird, ist sie in der Ausschreibung enthalten. Dieses Szenario wird wegen Ausschreibungen, Markterkundung, Auswertung usw. noch viel Zeit brauchen. Daher lässt sich derzeit kein Umsetzungszeitpunkt nennen", so das Schreiben weiter.
Die zweite Möglichkeit wäre ein eigenwirtschaftlicher Ausbau. Über eine E-Mail-Adresse (des örtlichen Internet-Anbieters) können der Leser unverbindlich sein Interesse an einem Glasfaseranschluss bekunden. Der örtlich in Frage kommende FTTH-Anbieter ist hier die e.discom. Betreiber des Netzes sollen die Stadtwerke Schwedt/Oder sein, wusste der Leser zu berichten. e.dis/e.discom ist in der Region Mecklenburg-Vorpommern im Wettbewerb mit der Telekom aktiv.
Bis Herbst 2023 noch anderweitig beschäftigt
Aktuell habe e.discom ihre Ressourcen noch bis etwa Herbst 2023 im Letschiner Bereich für den geförderten Breitbandausbau gebunden, erfuhr der Leser von der Kreisverwaltung weiter. Danach sollen auch zusätzliche Adressen ausgebaut werden. Nach der Interessensbekundung würde sich die e.discom beim Leser zum Thema technischer Durchführbarkeit und mögliche Kosten melden. Die Trasse habe die e.discom im naheliegenden Bereich geplant, aber laut Ansprechpartner e.discom sollen für die Straße, wo der Leser wohnt, bereits Leerrohrkapazitäten vorgehalten worden sein.
Verständnis für die Problematik
Der zuständige Referent der Kreisverwaltung bestätigte ein Telefonat und stimmt dem Leser durchaus zu: "Ich kann Ihren Ärger vollkommen nachvollziehen. Aufgrund der geringen Aufgreifschwelle in der Förderrichtlinie, kann die Straße [des Lesers] im aktuellen Förderprogramm leider nicht berücksichtigt werden."
Ein Fazit (von Henning Gajek)
Wer in Deutschland abseits der "Hotspots" Glasfaser haben möchte, braucht sehr viel Geduld und Beharrlichkeit. Aufgrund des politischen gewollten Schwerpunkts "eigenwirtschaftlicher Ausbau" bauen die Unternehmen bevorzugt dort aus, wo es sich für sie irgendwie rechnet oder rechnen könnte. Die "unrentablen" Gebiete können nur über staatliche Fördermittel fertig ausgebaut werden. Dafür müssen aber zig Vorschriften und Regeln beachtet werden, weil die Fördergelder ja kostbare Steuergelder sind. Und das dauert.
Wenn ein Anbieter die Idee hat, auf eigene Kosten die Glasfaser zu verlegen, hofft er natürlich, möglichst alle Kunden in diesem Gebiet zu erreichen. Wenn aber die lange etablierte Telekom den Finger hebt und sei es nur für VDSL (auf Kupferbasis), kann die Ausbau-Kalkulation des neuen Anbieters sehr schnell zerbröseln. Immer wieder sind Konkurrenz-Unternehmen, die eigentlich Glasfaser ausbauen wollten, daran krachend gescheitert. Über aufgerissene Straßen und verschwundene Bauarbeiter und Maschinen lassen sich viele Seiten füllen.
Für viele Nutzer ist der Ausbau mit VDSL der berühmte "Spatz in der Hand". Manche mögen damit zufrieden sein, andere sind "enttäuscht", weil der langfristig richtige Weg zur Glasfaser noch länger oder auch unerreichbar wird.
Den beteiligten Unternehmen kann man nur zurufen: Redet miteinander und baut oder betreibt vielleicht besser gemeinsam. Eure alten und auch neuen Kunden werden es Euch danken.