Studie

VATM: Wettbewerber bauen mehr Glasfaser als die Telekom

teltarif.de-Gast­autor Andreas Walter von Dialog-Consult hat gemeinsam mit dem Bran­chen­ver­band VATM die 6. Giga­bit­studie vorge­stellt, die inter­essante Einblicke in die Breit­band­land­schaft gibt.
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In einer Video­kon­ferenz hat der Verband der Anbieter von Tele­kom­muni­kations- und Mehr­wert­diensten (VATM), in dem die meisten Wett­bewerber der Deut­schen Telekom vertreten sind, in Zusam­men­arbeit mit dem Forschungs­institut Dialog-Consult seine "6. Markt­ana­lyse Gigabit-Anschlüsse 2024" vorge­legt. Exklusiv konnte teltarif.de im VATM-TV-Studio in Köln live vor Ort dabei sein.

Umfang­reiche Daten­ana­lyse

Der VATM übertrug die Präsentation seiner Zahlen aus dem eigenen TV-Studio in Köln. teltarif.de war als Zaungast vor Ort. Der VATM übertrug die Präsentation seiner Zahlen aus dem eigenen TV-Studio in Köln. teltarif.de war als Zaungast vor Ort.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Bei seiner Analyse hat Dialog Consult unter Leitung von teltarif.de-Gast­autor Andreas Walter die Mitglieds­unter­nehmen des Verbandes und weitere Carrier von März bis April 2024 befragt und auch zahl­reiche Unter­neh­mens­publi­kationen und öffent­liche Studien aller Art ausge­wertet. Stolz betont der VATM, mehr als 85 Prozent der Fest­netz­anschlüsse aller Wett­bewerbs­unter­nehmen in Deutsch­land bereit­zustellen, über 90 Prozent der Fest­net­zum­sätze aller Wett­bewerbs­unter­nehmen würden von Mitglieds­unter­nehmen des VATM erwirt­schaftet.

Wich­tige Begriffe: Passed, Connected, Acti­vated

Um die Studie zu verstehen, müssen zunächst einige Begriffe erklärt werden. "Giga­bit­fähige Anschlüsse" müssen tech­nisch Down­link-Band­breiten von mindes­tens 1 GBit/s bieten können. Das sind zum einen soge­nannte HFC (Hybrid-Fiber-Coax) nach DOCSIS 3.1-Stan­dard, wie sie über­wie­gend von Voda­fone (und Pyur und weiteren) ange­boten werden und FTTB/H-Anschlüsse (FTTH - Glas­faser bis ins Haus oder die Wohnung, FTTB - Glas­faser bis ins Gebäude, meist bis in den Keller). VDSL- und Mobil­funk­anschlüsse oder via Satellit werden dabei nicht gezählt.

Ein Gigabit-fähiger Anschluss muss also tech­nisch mindes­tens 1 GBit/s können und buchbar sein. Das besagt aber nicht, dass die ange­schlos­senen Kunden, diese maxi­male Geschwin­dig­keit auch tatsäch­lich gebucht haben.

Zwei Drittel noch über Kupfer reali­siert

2024 basieren noch 2/3 aller Anschlüsse auf dem Kupfernetz der Telekom. 2024 basieren noch 2/3 aller Anschlüsse auf dem Kupfernetz der Telekom.
Grafik: VATM / Dialog-Consult
Die Studie geht von der These aus, dass 2024 immer noch knapp zwei Drittel der von den Kunden genutzten Breit­band­anschlüsse auf dem Kupfer­dop­pelader-Anschluss­netz der Telekom basieren, das rest­liche Drittel sei wirk­lich Gigabit-fähig. In der allge­meinen Diskus­sion wird gerne eine hohe Zahl von Glas­faser­anschlüssen genannt, die als "Homes passed" bezeichnet werden. Das ist aber irre­füh­rend, denn hier liegt irgendwo in der Nähe des Grund­stücks eine Glas­faser, es gibt aber keine Leitung ins Haus, d.h. die Glas­faser kann aktuell nicht genutzt werden. Kunden, die sie haben wollen, schei­tern an hohen kosten oder der Unlust von Vermie­tern oder Haus­eigen­tümern, die Leitungen auf das Grund­stück legen zu lassen. Der VATM und Dialog-Consult haben daher den Begriff "Homes connected" gewählt, wo die Leitung bis ins Haus gelegt ist und funk­tions­fähig wäre, der Kunde aber keinen Nutzungs­ver­trag abge­schlossen hat. Und schließ­lich ist die Zahl "Homes acti­vated" wichtig, das sind die Anschlüsse, die gelegt, gebucht und wirk­lich in Betrieb sind, sprich vertrag­lich genutzt werden.

Doppel­zäh­lung bei mehreren Tech­nolo­gien

Von 2021 bis 2024 ist die Zahl der mit Gigabit versorg­baren Haus­halte von 34,4 auf 45,9 Millionen ange­wachsen, davon seien 3,3 Millionen (9,6 Prozent) im Jahre 2021 gekommen, was auf 9,2 Millionen oder 20 Prozent in diesem Jahr ange­stiegen sei. Die 2024er-Zahlen wurden auf das Gesamt­jahr hoch­gerechnet. Diese Zahlen sehen gut aus, enthalten aber Doppel­zäh­lungen, da es Häuser gibt, wo z.B. Glas­faser und Koax­kabel verfügbar sind, das ist bei etwa 10 Millionen Haus­halten/Unter­nehmen der Fall.

Die Studie fast klas­sische Wohn­haus­halte und kleine Unter­nehmen (KMU) zusammen und stellt fest, dass 60 Prozent der "Gigabit-fähig" erreich­baren Haus­halte oder Unter­nehmen über Koax­kabel-Netze (HFC) zu errei­chen sind, doch der Anteil an "echter" Glas­faser (bis ins Haus oder zum Kunden) habe im ersten Halb­jahr deut­lich zuge­nommen. Rechnet man das alles zusammen, habe Deutsch­land eine Giga­bit­ver­sor­gungs­quote von aktuell 78,6 Prozent.

13,2 Millionen schnelle Anschlüsse

90 Prozent der Kunden mit Gigabit-Tempo sind bei Telekom-Wettbewerbern. 90 Prozent der Kunden mit Gigabit-Tempo sind bei Telekom-Wettbewerbern.
Grafik: VATM / Dialog-Consult
Von den 35,9 Millionen versorg­baren Haus­halten und Firmen nutzten 13,2 Millionen schnelle Anschlüsse ("Homes acti­vated"), zwei Drittel seien über Koax­kabel (HFC) verbunden. Die Glas­faser konnte ihren Anteil auf 34 Prozent stei­gern. Schaut man sich diese 13,2 Millionen Anschlüsse an, so seien nur 9,1 Prozent bei der Telekom ange­schlossen, der Rest bei der privaten Konkur­renz.

Die Take Up Rate ist zu gering

Ein wich­tiges Thema ist die "Take Up"-Rate, also die Quote der wirk­lich gebuchten schnellen Anschlüsse, dort wo sie ange­boten werden. Hier haben die Anbieter im Wett­bewerb der Telekom aller­größtes Inter­esse, dass ihre Anschlüsse sofort gebucht werden, denn nur dann verdienen sie Geld.

Deswegen finden in den (geplanten) Ausbau­gebieten zunächst Kunden­befra­gungen ("Door-2-Door"-Vertrieb) statt, wer denn einen Glas­faser­anschluss nehmen würde. Die dafür notwen­digen Quoten liegen hier meist bei mindes­tens 30-40 Prozent, bevor wirk­lich gebaut wird.

Telekom kann auf Kupfer­netze zurück­greifen

Die Telekom habe in diesen Orten aber schon kupfer­basierte DSL-Netze liegen und somit keine große Eile, viele neue (Glas­faser-)Anschlüsse zu bauen oder zu vermarkten. Die Renta­bilität eines kupfer­basierten DSL-Anschlusses sei für die bezahlten und bereits abge­schrie­benen Leitungen für die Telekom viel höher, als bei einer Glas­faser. Folg­lich gäbe es bei er Telekom zu 74 Prozent Anschlüsse, die gar nicht bis ins Haus oder zum Kunden gebaut seien und somit nicht nutzbar seien. Blieben 13 Prozent von tech­nisch mögli­chen, aber nicht gebuchten und 13 Prozent von aktiven Glas­faser­anschlüssen im Jahr 2024.

Zum Vergleich nennen die Wett­bewerber 35,1 Prozent wirk­lich aktive Anschlüsse, 23,7 Prozent tech­nisch mögliche Anschlüsse und 41,2 Prozent, wo noch eine Verbin­dung von der Glas­faser­lei­tung unter der Straße auf das Grund­stück ins Haus gelegt werden müsste.

Private Wett­bewerber haben höhere Glas­faser­quote

80 Prozent der Gigabit-Haushalte werden von Telekom-Wettbewerbern erreicht. 80 Prozent der Gigabit-Haushalte werden von Telekom-Wettbewerbern erreicht.
Grafik: VATM / Dialog-Consult
Auf die Glas­faser­ver­sor­gungs­quote bezogen ergeben das 70,4 Prozent durch die Wett­bewerber und 17,7 Prozent durch die Telekom, so die Studie. Der Telekom gelinge eine Remo­nopo­lisie­rung auf dem FTTH-Anschluss­netz, die aktu­elle "Regu­lie­rung light" greife nicht. Auf bereits von der Telekom verlegten und aktiven Glas­fasern fände aktuell nur drei Prozent "Wholesale" statt, d.h. ein Wett­bewerber hat die Fasern der Telekom gemietet und bietet die Anschlüsse darüber seinen eigenen Kunden an. Vergleiche man das mit dem Kupfer­netz, so liege die Auslas­tung bei 58 Prozent durch Telekom und bei 42 Prozent durch die Wett­bewerber.

Wenn schnelle Anschlüsse ange­boten werden, fragt mehr als die Hälfte der Kunden nach mehr als 250 MBit/s nach. Im Bereich zwischen 500 und 1000 MBit/s ist die Nach­frage mit 7,8 Prozent spürbar geringer, während Höchst­geschwin­dig­keiten zwischen 1 GBit/ und 2,5 GBit/s wieder mit 26,7 Prozent stark gefragt seien. Mögli­cher­weise spiele hier der Stolz auf das hohe Tempo ("ich bin schneller als du") eine Rolle.

Bei den Geschäfts­kunden sind zu mehr als 42 Prozent Tempi von 500 und mehr MB/s gefragt, nur 21 Prozent inter­essieren sich dann für die 1-2,5 GB Klasse und weniger als 50.000 Kunden brau­chen noch mehr Tempo. Pro Anschluss und Monat werden etwa 435 GB durchs Netz trans­por­tiert.

Hohe Förde­rung in den Flächen­län­dern

Nicht überall lohnt sich der Ausbau, und es ist eine staat­liche Förde­rung notwendig. Vergleicht man die Bundes­länder mitein­ander, so gibt der Bund in Flächen­län­dern relativ viel aus: In Meck­len­burg-Vorpom­mern sind das 569,74 Euro pro Einwohner (egal, ob wirk­lich ange­schlossen oder nicht) in Hessen sind es nur 19,13 Euro beispiels­weise.

Bei der Förde­rung von Glas­faser­pro­jekten flössen etwa drei Viertel der Förder­mittel des BMDV (Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr) nach Bran­den­burg, Meck­len­burg-Vorpom­mern, Nieder­sachsen, Nord­rhein-West­falen und Sachsen. In beson­ders schwierig zu versor­genden Gebieten seien zu 72 Prozent private Wett­bewerbs-Unter­nehmen, die Telekom baue dort nur zu 28 Prozent.

Wie wird es weiter gehen?

Ende eines Jahres werden etwa 80 Prozent der Haus­halte und KMU mit einem Gigabit-Netz erreichbar sein, sagt der VATM voraus. Die Zahl mit Gigabit-Netzen erreich­baren 45,7 Millionen Haus­halten und KMU in Deutsch­land werde unter Berück­sich­tigung von Doppel­zäh­lungen Ende des Jahres bei etwa 48–49 Millionen liegen, die Zahl der FTTB/H-Anschlüsse in Deutsch­land komme bis Jahres­ende auf knapp 9 Millionen (Homes Connected). Damit werde die Glas­faser­ver­sor­gungs­quote auf 18,5 - 19,0 Prozent zunehmen.

Wirk­lich aktiv werden bis Jahres­ende über fünf Millionen Haus­halte ihren FTTB/H-Glas­faser­anschlüsse aktiv nutzen können, was 57 Prozent der Haus­halte und KMU mit FTTB/H-Anschlüssen (Homes Connected) entspreche.

Kritik am "Hand­tuch werfen"

Heftige Kritik übte der Verband an der Deut­schen Telekom, die an vielen Stellen, wo private Unter­nehmen zu bauen beab­sich­tigen ihr "Hand­tuch werfe". Dabei ist nicht die Aufgabe im Sinne von "Hand­tuch werfen" gemeint, sondern die von Schwimm­bädern oder Stränden bekannte Unsitte, ein Hand­tuch hinzu­legen, um einen Liege­stuhl oder die Sand­fläche als "belegt" zu markieren. Dabei baue die Telekom oft nur die attrak­tiven Teile eines Orts (z.B. den Orts­kern) aus und über­lasse die wenig lukra­tiven Rand­bereiche den privaten Unter­nehmen. Für die lohne sich der Ausbau dann nicht mehr und so würden sie sich zurück­ziehen.

Während die Verbände einen Eingriff der Politik und eine stär­kere Regu­lie­rung fordern, weist die Telekom diese Kritik (unter anderem auch während der Angacom-Messe) stark zurück. In Hinter­grund­gesprä­chen räumen Vertreter des VATM gegen­über teltarif.de ein, dass die Telekom im Prinzip aus ihrer Sicht alles richtig mache und möglichst wenig Kunden verlieren wolle.

Große Hoff­nungen setzt die Branche auf ein poli­tisch verord­netes verbind­liches Abschalt­datum für Kupfer-Leitungs­netze, was die Kunden dazu moti­vieren könnte, auf Glas­faser zu wech­seln, um nicht abge­klemmt zu werden. Möglich ist das aber nur dort, wo es bereits ein flächen­deckendes Glas­faser­netz gibt. Die privaten Unter­nehmen träumen davon, dass das auch dann der Fall sein sollte, wenn dieses Glas­faser­netz nicht von der Telekom gebaut oder betrieben wird. Das bleibt noch Stoff für näch­telange Debatten.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Unter­nehmen im Wett­bewerb der Telekom haben es richtig schwer. Die meisten Kunden kennen die Telekom und wollen dort gerne bleiben und warten geduldig auf die magen­tafar­bene Glas­faser, die nach Ansicht der Branche bis 2030 nicht überall kommen dürfte. Wer zu einem neuen unbe­kannten Anbieter wech­selt, wech­selt ins Unge­wisse. Auch wenn viele Glas­faser­unter­nehmen von "Open Access" spre­chen, können sie den bishe­rigen Telekom-Kunden (die bei der Telekom bleiben wollen) kein Angebot machen.

Die Telekom hat zwar einige erfolg­reiche Koope­rationen gestartet, ist aber beim Thema "Wholebuy" (Telekom kauft fremd ein) aus verständ­lichen Gründen sehr zurück­hal­tend. Es scheint, als ob viele neue Unter­nehmen die Quali­täts­ansprüche der Telekom nicht erfüllen können oder Preis­vor­stel­lungen haben, die für die Telekom nicht sonder­lich attraktiv zu sein scheinen.

Viel­leicht wäre hier etwas Druck von Regu­lie­rung und Politik notwendig, um mehr Koope­rationen nach dem Muster der erfolg­rei­chen Glas­faser Nord­west (= EWEtel und Deut­sche Telekom) zum Laufen zu bekommen.

In einer weiteren Meldung lesen Sie: Höttges: 1&1 arbeitet nach dem "Pippi-Lang­strumpf-Prinzip".

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